Lieblingsbuch // Vom Ende der Einsamkeit von Benedict Wells

Das Lesen dieses Buches war ein wahres Erlebnis. Ich hatte es als Urlaubslektüre mit nach Sri Lanka genommen und verschlang es innerhalb zwei Tagen unter Sonne und Palmen am Strand von Mirissa, wenige Tage vor der Veröffentlichung. Der Rand einiger Seiten ist leicht gewellt und ein paar Sandkörner zwischen den Seiten gelangten mit nach Hause… *hach*.

Von Ende der Einsamkeit ist am 24. Februar 2016 erschienen und ich hatte die Gelegenheit ein Leseexemplar vorab zu lesen. Es ist schon etwas Besonderes ein Buch zu Lesen, das noch nicht auf dem Markt ist, worüber noch keiner gesprochen hat und von dessen Autor ich bis dahin noch nie gehört hatte. Mittlerweile habe ich das eine oder andere über Benedict Wells recherchiert, ein junger Autor mit einer interessanten Geschichte. Die ersten Reaktionen zum Buch waren von allen Seiten sehr positiv. Für mich war schon nach den ersten Zeilen klar, dass ich hier etwas ganz Großes in den Händen hielt und ich wurde bis zum Ende nicht enttäuscht. Immer wieder habe ich mir den Markierstift geschnappt und die schönsten Passagen unterstrichen.

Wells erzählt die Geschichte des träumerischen Jules, der bereits sehr früh mit den Leiden des Lebens konfrontiert wurde. Er und seine Geschwister Marty und Liz haben in jungen Jahren ihre Eltern bei einem Verkehrsunfall verloren und kamen im Anschluss daran in ein Internat. Seitdem sollte sich, in ihren bisher unbeschwerten Leben, alles ändern.

„Später schmückten wir gemeinsam mit unserer Tante das Wohnzimmer, im Radio liefen Chansons, und für einen Moment war es wie früher, nur dass zwei Menschen fehlten. Es war wie früher, nur dass nichts mehr wie früher war.“ (Wells 2016, S. 72)

Aus der Sicht von Jules erfahren wir alles über die Veränderungen der Geschwister, wie sie sich auseinanderleben, wie sie sich verändern, wie sie den Verlust der Eltern verarbeiten. Die Beziehung zwischen den Geschwistern ist so echt und authentisch, dass die Identifikation mit der Hauptfigur nicht schwerfällt. In allen möglichen Variationen wird vom Scheitern erzählt und wie uns die Vergangenheit in der Gegenwart einholen kann.

„Das hier ist alles wie eine Saat. Das Internat, die Schule, was mit meinen Eltern passiert ist. Das alles wird in mir gesät, aber ich kann nicht sehen, was es aus mir macht. Erst wenn ich ein Erwachsener bin, kommt die Ernte, und dann ist es zu spät.“ (Wells 2016, S. 67)

In einem der bewegendsten Momente im Buch will uns eine Romanfigur klarmachen, dass das Leben ein Nullsummenspiel ist: Wenn man im Leben schon viel Schlechtes erlebt hat, so wird dies mit positiven Erlebnissen wieder ausgeglichen. Jules wird allerdings Zeuge, dass das Leben wohl kein Nullsummenspiel ist. Das versucht ihm auch sein Bruder – der ewige Realist – klarzumachen, indem er erklärt Tod ist Statistik oder Hoffnung etwas für Idioten. Doch sobald Jules an seinem tiefsten Punkt angelangte, hatte sein schlauer Bruder auch keine Erklärung mehr.

Die Schlüsselbotschaft des Romans befindet sich meiner Meinung nach ungefähr in der Mitte des Buches, als die Jugendliebe Jules’ folgendes sagt: „Ja, aber das Gegengift zu Einsamkeit ist nicht das wahllose Zusammensein mit irgendwelchen Leuten. Das Gegengift zu Einsamkeit ist Geborgenheit.“ (Wells 2016, S. 171)

Besonders interessant war auch die Erklärung Jules zum Zeitlauf der Erinnerung: „Die Zeit verläuft nicht linear, ebenso wenig die Erinnerungen. Man erinnert sich immer stärker an das was einem gerade emotional nahe ist.“ (Wells 2016, S. 213)

Das Buch hinterfragt den Sinn des Lebens, den Sinn von Verlusten, den Sinn von der Existenz und in welcher Relation die Vergangenheit zur Zukunft steht. Es ist in Summe auch etwas schizophren: Es lehrt uns das zu schätzen was wir haben, Hoffnung zu schöpfen, aber zeigt uns genauso unverblümt, dass das Leben keine Bilanz ist, bei der auf der negativen und der positiven Seite die selben Beträge stehen. Ein unglaubliches Buch, mein neues Lieblingsbuch!

Noch mehr Zitate gibt’s in meinem Best of Wells!

P.S.: Auch die kürzlich verstorbene Autorin Harper Lee wird im Buch genannt: Alva (Jules wahre Freundin) ließt Wer die Nachtigall stört.

Hier geht’s zum Buch.

10 Kommentare Gib deinen ab

  1. Catherine sagt:

    Schöne Rezension! Habe das Buch gestern Abend auch ausgelesen und muss zugeben, dass sogar ein paar Tränchen gekullert sind. Wells hat mich mit dieser Geschichte unheimlich berührt! Wirklich ein ganz besonderer Roman!

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    1. bookbroker sagt:

      Da kann ich dir nur Zustimmen! Ganz am Ende hatte auch ich einen Kloß im Hals! Danke für deinen Kommi!

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  2. lesenslust sagt:

    Hi du,

    tolle Zeilen zu einem tollen Buch. Ich habe es habe es auch zu meinem ersten Jahreshighlight auserkoren. Wells Stil gefällt mir unheimlich gut. Seine Zeilen sind so unfassbar ehrlich.

    Hab noch eine schöne Restwoche,
    Steffi

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    1. bookbroker sagt:

      Danke Steffi! Habe mich auch über deine Zeilen gefreut. Im April kommt Wells nach Innsbruck, bin schon ganz gespannt wie er live so ist! Liebe Grüße!

      Gefällt 1 Person

  3. Melb sagt:

    Dein Blogbeitrag zu „Vom Ende der Einsamkeit“ hat mich dazu gebracht, ausnahmsweise nicht auf die Taschenbuchausgabe zu warten und die gebundene Version zu kaufen. Innerhalb ein paar Tage war das Buch ausgelesen – und ich bin begeistert! Eines der besten Bücher, das ich in den letzten Jahren gelesen habe! Kannst du noch ein Buch von Wells empfehlen? Ich möchte unbedingt mehr von ihm lesen.

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    1. Liebe MELB,
      Ja es ist wirklich wunderschön, es freut mich, dass ich dir mit meinem Tipp zu einem tollen Leseerlebnis verholfen habe. Ich habe von Wells alle Bücher zu Hause stehen, aber leider noch kein anderes außer VedE gelesen. Das letzte Buch, das ich gelesen habe und von dem Wells selbst auch überzeugt ist, ist Der Club von Takis Würger – ein Traum!

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  4. Anny sagt:

    Schon lange hatte ich das Buch aufgrund deines Blogs auf meiner „Bücherliste“.
    Nun hab ich es endlich geschafft und du hast nicht zu viel versprochen. Ein sehr berührendes und „tiefes“ Buch. Trotzdem nie kitschig oder gar schnulzig.
    Und kurz vor dem Ende gab es sogar (die während der Lektüre warteten) Tränen. Aber man geht versöhnt mit dem Buch wieder auseinander.

    Du bist für mich immer wieder eine heiße Lesespur, in den Unmengen an Veröffentlichungen. Danke für so manch schönen Urlaub, den du mir schon bereitet hast.

    LG Anny

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    1. Liebe Anny, vielen Dank für diese wunderbaren Worte – genaus solche Rückmeldungen motivieren mich immer wieder für euch zu lesen und am Blog die Rezensionen zu veröffentlichen. DANKE!

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