Rezension // BÄR von Marian Engel

„Ich hab‘ gerade BÄR in einem Rutsch gelesen. Eieiei, was haben wir da im Programm.“ – diese Nachricht hatte mir eine Kollegin geschrieben, nachdem wir uns beide von der Lektorin haben überzeugen lassen den Roman zu lesen. Und was soll ich sagen, dieser Roman ist wahrlich eine außergewöhnliche Wiederentdeckung aus dem Jahr 1976. Zu sagen es geht um „Sex mit einem Bären“ wäre zu kurz gedacht, doch wenn ihr das (und die Tatsache, dass es ein feministischer Roman ist) bereits vor der Lektüre wisst, werdet ihr den Roman von Seite 1 an anders lesen und mit wachsamen Augen die ein oder andere Anspielung verstehen.

Inhaltsangabe zu BÄR von Marian Engel

„Virginia Woolf forderte in ihrem viel zitierten Essay über weibliche Schaffenskraft und Freiheit ein Zimmer für sich allein. Marian Engel schenkte ihrer Heldin gleich eine Flussinsel mit einem großen Haus.“

– aus dem Nachwort zum Buch von Kristine Bilkau

Lou ist Bibliothekarin und führt ein objektiv betrachtet tristes Leben, sie hat täglich mit Dingen zu tun, die andere zurückgelassen haben, nur selten trifft sie dabei auf interessante oder gar wertvolle Fundstücke. Im Sommer wird sie auf eine abgelegene Insel (Cary Island) im Norden Kanadas geschickt, um den Nachlass eines Colonels aus dem 19. Jahrhundert zu katalogisieren. Endlich hatte man dem Institut für das Lou arbeitete etwas Wertvolles hinterlassen. Also macht sie sich auf den Weg. Dort angekommen zeigt ihr Homer Campbell das achteckige Haus u.a. mit einem Zimmer voller Bücher. Bevor er Lou dort alleine lässt, merkt er noch an: „Hat Ihnen eigentlich jemand […] von dem Bären erzählt?“ (Engel 2022, S. 27) Lou lässt sich nicht beirren, sie empfindet die Gegenwart eines Bären sogar „als köstlich elisabethanisch und exotisch.“ (ebd. S. 33)

Hier geht’s zum Buch. (Affiliate-Link)

Meine Gedanken zum Roman

Wenn ich eines liebe, dann Menschen, die für Bücher brennen! Und es gibt einige, die für diesen Roman brennen. Allen voran war es Madlen Reimer (bis zuletzt Programmleiterin beim btb Verlag), die mir BÄR ans Herz gelegt hat. Auch Luchterhand-Autorin Kristine Bilkau ist große Befürworterin, denn sie hat den Stein für die Neuauflage im Deutschen erst ins Rollen gebracht und ein Nachwort geschrieben (unbedingt lesen!). Deshalb landete der Roman der kanadischen Autorin auf meiner Leseliste 2022 vor der er nun gestrichen werden kann.

Auf der Verlagsseite von btb heißt es:

„BÄR trägt ein Geheimnis, BÄR ist ein sensationeller Text, so vielschichtig und fein wie unverschämt und irgendwie skandalös. Wenn man BÄR gelesen hat und ihn unbedingt weiterempfehlen möchte, muss man erst einmal lernen über BÄR zu sprechen. Und über Lou. Darüber, was ihr da widerfährt – und darüber, was das alles mit uns zu tun hat.“

btb-verlag.de, Stand: 17. April 2022)

Und genau so ist es. BÄR zu lesen ist auch heute noch aufregend und zu wissen, dass der Roman vor 46 Jahren erschienen ist, macht es noch aufregender. Abgesehen von den pikanten Stellen, bei denen man leicht zu einem beschämten Kichern verleitet wird, erzählt der Roman von einer Frau, die alleine und furchtlos auf eine Insel reist (obwohl Homer irgendwie einen Mann erwartet hätte), davon, dass die letzte Besitzerin des Hauses (Colonel Jocelyn) die erste Frau auf der Insel war, die Hosen trug, davon, dass Homer wie selbstverständlich seine Frau mit Lou betrügen möchte, weil „ein Mann von Zeit zu Zeit [von seiner Frau] weg sein dürfen“ (ebd. S. 147) muss. Kristine Bilkau macht in ihrem Nachwort noch deutlich, dass ein Bärenfell vor dem Kaminfeuer ein Bild ist, welches meist mit Sexszenen aus einer männlichen Perspektive in Verbindung gebracht wird (einfach mal bear, fur, fire , sex bei Google eingeben) und die Autorin diesem Bild womöglich eine weitere Perspektive geben wollte. Womöglich ging es ihr auch darum die weibliche Sexualität anders darzustellen. Das ist ihr auf jeden Fall gelungen.

Einen Interessanten Artikel zu dem Poster aus dem Jahr 1972 mit Burt Reynolds, das Bilkau im Nachwort erwähnt, gibt es hier. Es gibt auch eine moderne Version davon mit Ryan Reynolds als Deadpool hier.

2 Kommentare Gib deinen ab

  1. Kathi sagt:

    Ich kann mich nur anschließen … WOW was für ein Buch. Ich habe es gestern zu Ende gelesen und musste erstmal eine Nacht drüber schlafen. Ich finde das Buch super spannend und passend zur aktuellen Zeit, vor allem noch mehr wenn man weiß das es vor 46 Jahren bereits zum ersten mal erschienen ist. Das Nachwort von Kristine Bilkau hat mir sehr geholfen meine ersten Gedanken zum Buch zu sortieren. Ich kann mich deinen Gedanken nur anschließen, dass es super aufregend war das Buch zu lesen.

    Like

  2. Maddie sagt:

    Deine Rezensionen liebe ich sehr;)

    Maddie

    Like

Hinterlasse einen Kommentar