Es ist wunderschön. Wirklich wunderschön! Es ist in Teilen ernüchternd, gleichzeitig inspirierend und schildert erstaunlich detailliert schmutzigen, verbotenen Sex. Über das Buch gäbe es viel zu sagen: die Rolle der Stadt Genf, die Themen Rache, Ehe, Risiko… Doch muss ich mich auf ein paar Zeilen beschränken.
Wie der Klappentext des Buches verrät, dreht sich in Untreue alles um Linda, die alles hat, aber trotzdem todunglücklich mit ihrem Leben ist. Zu dem „alles“ gehört ein liebevoller Ehemann, der zu den 30 bestverdienenden Schweizern gehört, zwei Kinder, ein guter Job als Journalistin und eine Kreditkarte mit der sie unlimitiert shoppen darf.
Nach ein paar einleitenden Seiten zu den Lebensumständen von Linda, geht die Geschichte rasant weiter. Seite 11, Linda hat einfach nur Angst. Seite 28, Linda überlegt ob sie an einer Depression leidet. Seite 35, Linda befriedigt ihre Jugendliebe oral in ihrem Büro und betrügt somit gewissermaßen ihren Ehemann. What? Ja, nach nur knapp 35 Seiten geht es schon richtig zur Sache. Seite 40, Linda stellt folgendes fest: „Man kann nicht dauernd glücklich sein. Niemand kann das. Man muss lernen mit den Realitäten des Lebens zurechtzukommen.“ – sehr ernüchternd in meinen Augen, doch die Handlung verliert nicht an Treibkraft, da wir immer wieder in Lindas enorme Gedankenwelt eintauchen können. Seite 45, Linda hat keine Antwort auf die Frage ob sie glücklich sei. Seite 47, Linda ist verliebt. Seite um Seite verstreichen die Jahreszeiten und sie erlebt ihr wohl riskantestes Jahr.
Linda hat etwas von einer modernen Madame (Emma) Bovary: Die Depressionen, Stimmungsschwankungen, die Unzufriedenheit und die Liebe zu einem Mann (bei Mdm. Bovary ist es u.a. Rodolphe), der nur das Abenteuer sucht. Jacob ist der Mann in den sich Linda (wieder)verliebt hat, denn bereits in ihrer Jugend waren sie ein Paar. Doch während Linda verliebt ist, bleibt sie bei ihrem Mann (dessen Name nie genannt wird) und schüttet ihm sogar das Herz aus bezüglich ihrer Vermutungen auf eine Depression. Er zeigt sich sehr fürsorglich und glaubt daran, dass alles wieder ins Lot kommt. Doch Linda fühlt sich weiterhin leer, apathisch, einsam. Bis sie sich regelmäßig mit Jacob trifft und sich dafür entscheidet ihn zurückzuerobern…
Untreue mein zweites Lesehighlight des Jahres. Die Geschichte trifft den Nerv der Zeit: Wir haben alles und wissen doch nicht was wir wollen. Sie behandelt auch nicht die Liebe als Thema im herkömmlichen Sinne, sondern sieht sie als nötige Voraussetzung zum Leben und weniger als Verbindung zu einer zweiten Person. Sie ist unsere Treibkraft, um am Leben teilzunehmen. Doch thematisiert Paulo Coelho auch die Themen Sex und Leidenschaft innerhalb einer langjährigen Beziehung. Besonders spannend war der Vergleich der Protagonistin mit Mary Shelleys Frankenstein. Sie fragt sich selbst ob sie etwa das Ungeheuer in ihrer Geschichte ist. Doch auch die Erzählung von Amor und Psyche hat mich gefesselt. Genauso die Dialoge, die Linda mit einem Schamanen führt.
Das Buch ist nicht ganz ungefährlich, ich würde es, genauso wie Madame Bovary, niemandem empfehlen, der / die gerade selbst in einer Beziehungskrise steckt. Viel mehr würde ich sagen, dass es das richtige Buch für unglücklichen Singles ist. Das Buch zeigt nämlich auf, dass auch liierte Menschen sich einsam fühlen können und es nicht zwingend einen Partner, eine Partnerin zum persönlichen Glück braucht. Es reicht auch einfach die Liebe zum Leben, deshalb: „zu einer großen Liebe ist man ein Leben lang unterwegs.“ – so der Slogan des Buches.
Bei den Büchern von Coelho typisch ist die metaphorische Sprache, die Analogien, das Vorkommen zahlreicher Lebensweisheiten und Sprichwörter. Somit kann sich jede/r im Buch auf eine Weise selbst verorten und für sich mitnehmen, was ihn / sie bewegt.
Zum Abschluss ein Zitat über die Liebe:
„Die Liebe ist nicht nur ein Gefühl; sie ist eine Kunst. Und wie bei jeder Kunst reicht nicht allein die Inspiration, es ist auch viel Arbeit vonnöten.“ (Coelho 2016, S. 229)
Hier geht’s zum Buch.
Bei dem Buch handelt es sich um ein Rezensionsexemplar, das mir vom Diogenes Verlag kostenlos zur Verfügung gestellt wurde.
Oh ich hatte das Buch heute in der Hand und habe es aber nicht gekauft 😉 Auf deinen Tipp hin, werde ich das aber ganz schnell nachholen. Ich bin ein riesiger Coelho-Fan und eines meiner Lieblingsbücher ist „11 Minuten“ 🙂 Danke für den Tipp 🙂
Und das Redesign finde ich im Übrigen auch sehr gelungen 🙂
Alles Liebe,
Sarah
http://www.liebreizend.com
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Liebe Sarah, das freut mich wirklich sehr! Vielen Dank für deinen Kommentar. So banal es auch klingen mag, aber zu hören, dass sich jemand tatsächlich dafür entscheidet das Buch zu kaufen, nachdem er / sie meine Rezension dazu gelesen hat, macht mich sehr glücklich. LG Evelyn
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