Um halb 3 ist selbst in Tokio nur ein McDonald’s geöffnet – Die Bäckerei-Überfälle von Haruki Murakami

„Hunger entsteht wie? Aufgrund mangelnder Nahrungsaufnahme natürlich. Warum mangelt es an Nahrung? Weil es an äquivalenten Tauschobjekten fehlt. Und warum, schließlich, standen uns solche nicht zu Gebote? Weil wir nicht genug Phantasie besaßen, vermutlich. Oder aber Hunger hing direkt und ursächlich mit unserem Mangel an Fantasie zusammen.“ (Murakami 2014, S. 9)

An Fantasie mangelt es dem japanischen Autor bestimmt nicht und dem Protagonisten, der ein gnadenloses Hungergefühl verspürt, auch nicht. Die Handlung der zwei Erzählungen Der Bäckerei-Überfall und Der zweite Bäckerei-Überfall ist schnell erzählt. Zwei Freunde überfallen, getrieben vom peinigenden Gefühl des Hungers, eine Bäckerei. Der Bäcker lässt sich von den jungen Herrschaften allerdings nicht beirren und bieten Ihnen ein Tauschgeschäft an: Sie bekommen ohne Widerstand soviel Brot wie sie wollen, dafür müssen sie sich zu einer Affinität gegenüber der Musik Wagners bekennen. Sie willigten auf den Tausch ein, vor allem nachdem des Bäckers erstes Tauschangebot ein Fluch war. Von diesem Fluch sollte der Protagonist der Erzählung allerdings nicht verschont geblieben sein, wie sich 10 Jahre später im Gespräch mit der Ehefrau herausstellt. Um diesen Fluch aufzulösen sollte es also zu einer Wiederholung kommen. Um halb 3 Uhr morgens und nach insgesamt sechs Dosen Bier entscheidet das Paar eine McDonalds Filiale zu überfallen, da schlichtweg keine Bäckerei geöffnet ist. „Es tut uns ja auch leid, aber eine Bäckerei war nicht auf“. – „Wenn eine auf gewesen wäre, hätten wir schon eine richtige Bäckerei überfallen.“ (Murakami 2014, S. 69)

Murakamis Erzählstil ist skurril und gleicht einer Traumbeschreibung. Seine Metaphern und Analogien sind innovativ und außergewöhnlich, so schreibt er z.B., das Warten in der Bäckerei wäre eine dostojewskische Hölle gewesen, das Hungergefühl ein kosmisches Vakuum oder vergleichbar mit der Höhenangst und zwei Erdbeer-Shakes auf dem Tisch im McDonald’s seien avantgardistische objets d’art.

Das Buch war ein interessantes Kennenlernen des japanischen Autors, das Lust auf Mehr macht! Die Illustrationen nach maximal jeder vierten Seite bieten die Möglichkeit, die Geschichte noch einmal auf eine ganz andere Art zu „lesen“.

 Meine Ausgabe:

Zwei Erzählungen in einer Ausgabe verpackt! Erstmals als Taschenbuch erschienen mit Illustrationen von Kat Menschik.

Vielen Dank an meine lieben Freunde Thomas und Christine, die mir meinen ersten Murakami geschenkt haben!

Hier geht’s zum Buch.

 

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