Warum den Diamantenräubern ein Salamibrot zum Verhängnis wurde – Lupenrein von Selby und Campbell

Hier wird die Geschichte eines Raubes erzählt, der spektakulärer nicht sein könnte. Man fragt sich schon förmlich wo die Verfilmung bleibt. Ein brillanter Kopf plant penibelst einen Raub, kommt zwar ins Gefängnis, darf mit seinen Komplizen aber die Beute behalten. Ein guter Tausch am Ende, ein paar Jahre Gefängnis, und nach Entlassung stinkreich.  Dafür opfern musste sich nur einer, nämlich Notarbartolo…

 Der Einbruch

Im Diamont-Center (DC) Antwerpen fand einer der lukrativsten und unglaublichsten Einbrüche statt, die die Welt je gesehen hat. Bis zum 14. Februar 2003 traute sich niemand dort einzubrechen, bis dahin. Es war ein Wochenende, Valentinstag, das Gebäude war geschlossen, aber die Kameras liefen und filmten jede noch so kleine Bewegung. Schall-, Erschütterungs-, Bewegungs-, und Wärmefühler waren an. Das Beste das es damals an dem besagten Markt in puncto Sicherheitstechnik gab, war im Diamont-Center installiert. Von den Räubern konnten alle Sicherheitsmaßnahmen überlistet oder außer Kraft gesetzt werden, teilweise durch einfache Haushaltsartikel wie einem Haarspray.

Zwischen 1 und 5 Uhr morgens wurden über 100 Schließfächer geöffnet. Sie brauchten knapp 2-3 Minuten pro Schließfach. Darin waren Bargeld, Goldbarren und Juwelen. Über 100 Fächer blieben aber insgesamt unberührt. Warum? Ermittler gehen davon aus, dass die Taschen einfach voll waren. Um 05:40 Uhr verließen sie den Tresorraum. Auf denselben Weg wurde das Gebäude verlassen. Kein einziger Alarm wurde ausgelöst und die Täter waren davon.

Nach dem Raubzug

48 Stunden später, am Montag den 17. Februar 2013, hatte am Morgen noch keiner eine Ahnung, was sich hier abgespielt hatte. Erst als das Sicherheitspersonal den üblichen Kontrollgang durchführte und den Tresorraum öffnete, war es mit der Ruhe vorbei. Von 190 Fächern wurden 109 aufgebrochen. Die Polizei schätzte den Schaden auf 100 Millionen €. Fachleute sprechen aber sogar von bis zu 400 Millionen. Die Versicherungen übernahmen nur rund 20 Millionen des gesamten Betrages. Die Berichte über den Raubzug gingen um die Welt, in allen Ländern kannte man nun die „Turiner Schule“ und vielerorts wusste man über das Verbrechen Bescheid.

Die Ermittlungen

Viele vermuteten dass die Täter aus dem Kreis des DC kommen müssen. Es muss also jemand was ausgeplaudert haben, wenngleich das technische Personal jeder Überprüfung im Nachhinein standhielt. Danach wurden die Schuldigen bei denen gesucht, deren Fächer nicht aufgebrochen worden waren. Doch auch hier fand man keine Anhaltspunkte. Am Ende blieb nur ein Name übrig: Der italienische Diamantenhändler Leonardo Notarbartolo. An ihm fiel auf, dass er keinen Diamanten an- oder verkauft hatte, seitdem er das Büro im DC hatte. Er stammt ursprünglich aus Turin und zog 2001 nach Antwerpen.

4 Tage nach dem Raubzug wanderte ein Bauer aus Antwerpen durch den Wald und wurde auf Mülltüten aufmerksam. Darin waren Diamanten, Aktien, Bargeld und Kreditpapiere. Auch fand er Echtheitszertifikate und zerstörte Videokassetten, woraufhin er die Polizei rief. Später war klar, es war ein Teil der Beute aus dem DC. Auch wurden Essensreste und 2 leere Weinflaschen gefunden. Alles italienische Lebensmittel, italienischer Käse und italienischer Wein. Wichtig waren vor allem die Essensreste, da sich einer der Männer nach dem Raubzug noch ein Salamibrot machte und dieses nicht aufaß und wegwarf. Auch fand man einen Kassenzettel aus einem Geschäft, in der Nähe von Notarbartolos Wohnung.

Überwachungsvideos vom Geschäft wurden angefordert. Aber auf den Bändern war nicht Notarbartolo zu sehen, sondern 2 andere Männer. Ein Italiener namens Fernando Finotto und ein anderer namens Pietro Tavano. Beide zwar nicht als Juweliere bekannt, dafür als Diebe. Man sagte ihnen Verbindungen zu der „Scuola di Turino“ nach, der „Turiner Schule“, ein Verbrechersyndikat aus dem gleichnamigen Ort. Der Name der Gruppe stammte aber von einem Journalisten und wurde so später von den Medien übernommen, sie selbst haben sich keinen Namen gegeben, hatten keine Mitgliederausweise, keinen Anführer, Struktur oder sonstiges das sie hätte verraten können. Sie waren ein Zusammenschluss von Männern die eben gut in dem waren, was sie taten.

1 Woche nach dem Einbruch wurde Notabartolos Wohnung durchsucht. In den Fasern von seinem Teppich fand man Diamanten, die denen ähnelten, welche im Wald zurückgelassen wurden. Auch fand man noch dieselben Reste an Lebensmittel, wie die, die im Wald zurückgelassen wurden. Die DNA-Analyse aufgrund des Essens in der Wohnung im Vergleich mit denen, welche im Tresorraum gefunden wurden, ergab dass man 7 verschieden DNA-Spuren hatte. 4 davon konnten identifiziert werden. Tavano, Finotto, Notarbartolo und ein D’Onorio waren diese 4. Nach der Polizei waren diese 4 die Täter. Notarbartolo kam 4 Tage später nach dem Raubzug wieder nach Antwerpen um einerseits den Leihwagen zurückzugeben und andererseits seine Zugangskarte noch einmal durch das Lesegerät zu ziehen, um nicht dadurch aufzufallen, als die einzige Person die nach dem Überfall nie mehr „eingecheckt“ hatte. Auch wollte er noch seine Wohnung „sauber“ kriegen. Und diese Rückkehr nach Antwerpen war sein größter Fehler, denn da wurde er festgenommen, da die Untersuchungen schon liefen und man ihn erkannt hatte. Es kam zu einem Prozess. Er bekam 10 Jahre Haft, weil er der angebliche Kopf der kriminellen Bande war. Auch fand man Beweise zu den Komplizen Notarbartolos, welche ebenfalls verurteilt wurden. Diese waren zwar nicht mehr in Belgien, aber man kann nach belgischem Recht auch verurteilt werden, wenn man sich außerhalb des Landes befindet. Die befanden sich schon lange in Italien, und da in Italien damals noch das Gesetz galt, welches besagt, dass man Personen in solchen Fällen nicht ausliefere durfte, waren sie save solange sie Italien nicht verließen.

Die genaue Planung und noch viele weitere Details können im Buch nachgelesen werden. Eine wahrlich unglaubliche Geschichte!

Hier geht’s zum Buch.

Wissenswert: Der Diamantenhandel in Antwerpen in Zahlen

Im Viertel arbeiten fast 35.000 Diamantenhändler. 80% aller Edelsteine werden von hier aus in alle Kontinente der Welt verkauft. Jeden Tag werden Diamanten im Wert von 140 Millionen € verkauft. Über dieses Viertel läuft der Großteil aller Diamantenkäufe auf dieser Welt. Hier haben wir also eine Konzentration von Reichtum wie sonst kaum irgendwo. Die Diamanten in der Tasche eines beliebigen Passanten würden häufig genügen, um einem Dieb ein Leben in Luxus zu ermöglichen. Deshalb sind hier ca. 700 Kameras installiert. Jeder Quadratzentimeter hier wird rund um die Uhr gefilmt. 200 Jahre lang kam es hier zu keinem Diebstahl. Richard „The Iceman“ Kuklinski (der persönliche Killer von Mafiaboss John Gitti) sollte hier einen Raub planen und gab diesen jedoch auf, als er einen Blick auf die Sicherheitsmaßnahmen geworfen hatte. Er sagte seinen Kumpels später, das Viertel sei „so dicht wie der Arsch einer Nonne“.

Ein Büro im Diamont-Center (DC) kostete im Jahr 2000 rund 400,00 € pro Monat (relativ günstig im Vergleich zu anderen Mietpreisen). Alle wichtigen Geschäfte zum Diamantenhandel liegen im Viertel und konnte man vom DC aus in wenigen Schritten erledigen. Das Gebäude hat den weltweit besten Zentralsafe und die beste Alarmanlage. Es gibt einen Erschütterungs-, Schall-, Bewegungsalarm und diverse Lichtdetektoren. Zusätzlich wird das Ganze noch von einer Firma in Brüssel aus überwacht. Hier sind jeden Tag Diamanten gelagert im Wert von mindestens 1 Milliarde $.

Vielen Dank an Manuel für den Tipp!

2 Kommentare Gib deinen ab

  1. Manuel sagt:

    Sehr schön geschrieben und in Kürze auf den Punkt gebracht 🙂

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    1. bookbroker sagt:

      Danke Manuel! 🙂

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