Auch ich stehe ein bisschen zwischen den Stühlen was meine Meinung zum Roman betrifft. Einerseits erzählt Julya Rabinowitsch die sehr berührende Geschichte von Madina, die gemeinsam mit ihrer Familie geflüchtet ist, sich in Deutschland bereits gut eingelebt hat und Laura ihre beste Freundin nennen darf. Zudem wird die Geschichte aus der Perspektive der jungen Madina sehr authentisch im Stil eines Tagebuches erzählt – somit erhalten wir tiefe Einblicke in ihre Gedankenwelt. Andererseits hat mich der Roman nicht ganz abgeholt. Dies könnte daran liegen, dass es ein Jugendbuch ist und der Schreibstil somit bewusst einfach gehalten ist. Ich musste mehrere Anläufe nehmen, das Buch zu lesen und auch bis zum Ende zu lesen. Auf dem Weg zur Frankfurter Buchmesse habe ich mir endlich die Zeit genommen und es beendet.
Die Geschichte von Madina ist hochaktuell. Es prallen zwei Welten aufeinander, die das junge Flüchtlingsmädchen besser miteinander vereinbaren kann, als etwa ihr Vater.
„Ich war einerseits ganz glücklich und andererseits traurig. Hier kann Damals nicht ersetzen. Gegenwart kann Vergangenheit nicht ersetzen. Ist einfach so. Gegenwart kann die Vergangenheit nur abschwächen, sie verschleieren, sie überdecken.“ (Rabinowich 2016: 119)
Madina möchte am liebsten den ganzen Tag bei ihrer Freundin zu Hause verbringen, Fernsehen, Schokolade essen und ab und zu mit ihr gemeinsam ins McDonald’s gehen. Sie liebt diese einfachen Dinge, die sie mit ihrer besten Freundin teilen kann. Dieser Aspekt der Erzählung ist besonders schön, denn Madina ist nicht allein, sie wird auch nicht wirklich ausgegrenzt (zumindest vorerst) und Laura ist auf sie zugekommen, weil sie weiß wie es ist nicht dazuzugehören. Die meiste Zeit verbringt sie, neben der Schule, mit ihrer Familie in der Pension, die als Flüchtlingsunterkunft dient. Dort ist die Stimmung sehr gedrückt, da alle nur darauf warten einen Schritt weiter gehen zu können:
„Alle warten hier. Niemand hat etwas anderes zu tun. Bis der Startschuss zum Hierleben fällt. Dieses Warten ist so schwerelos wie Gegenstände im Weltraum. Kein Boden. Kein Oben. Kein unten.“ (Rabinowich 2016: 29)
Madinas Vater hat große Schwierigkeiten, das was „hier anders ist“ zu akzeptieren – darunter auch die Rolle der Frau. Deshalb beauftragt er seinen sieben-Jährigen Sohn Rami damit, auf seine große 15-Jährige Schwester aufzupassen. Völlig absurd, aber auch sehr ernst gemeint, weil Rami eben ein Mann ist. Auch die Gedanken des Vaters sind klar nachvollziehbar, er fühlt sich missverstanden, machtlos, da er die Sprache des Landes nicht spricht und ihre Regeln nicht versteht.
Dazwischen: Ich trifft den Nerv der Zeit, zeigt glasklar die Gedankenwelten der Protagonisten auf und bringt die LeserInnen oft in die Verlegenheit über Lösungen nachzudenken bzw. sich für eine Partei zu entscheiden. Für die Jugend von heute ein empfehlenswertes Buch, einfach weil es zwei bzw. mehrere kontroverse Perspektiven aufzeigt, auch wenn es mich persönlich nicht ganz so beeindruckt hat.
Der Hanser Verlag hat mir den Roman freundlicherweise als Belegexemplar zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
Erhältlich im Buchhandel vor Ort. 🙂
Schöne Rezension, ich habe das Buch auch schon länger auf dem Schirm, jetzt bleibt es vorerst noch etwas auf der Wunschliste – danke! 🙂
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