Soviel möchte ich vorausschicken: Ich habe Bösland verschlungen und in (fast) einem Tag ausgelesen. Die Motivation kam auch ein bisschen von dem Hype rund um die Erscheinung Ende September und mitreden können möchte man ja auch. Trotzdem: An Totenfrau (hier geht es zur Rezension) kommt der neue Thriller nicht ran. Sorry für den Vergleich, aber wer von Aichner spricht, spricht meistens auch von seinem Erfolgsthriller Totenfrau und wer Aichner kennt und liest, geht mit einer bestimmten Erwartungshaltung an seine Thriller heran: brutal – fast ekelerregend, viel Blut, hohes Identifikationspotential mit den Protagonisten und Tempo. Aber fangen wir von vorne an.
Inhaltsangabe zu Bösland
„Das tragische Schicksal eines Mädchens erschütterte das ganze Land. Sommer 1987. Irgendwo in einem idyllischen Dorf in den Bergen passierte es. Die Tochter des Apothekers wurde umgebracht. Im Bösland wurde ihr Schädel zertrümmert. Der dreizehnjährige Ben wurde verhaftet und in die Psychiatrie eingeliefert.“ (Aichner 2018, S. 69)
Ben ist der Protagonist mit hohem Identifikationspotential in dem Thriller – Ben ist die neue Blum mit einem Unterschied. Er hat, wie in dem Zitat oben erwähnt wird, mit 13 Jahren einen Mord begangen, daraufhin wurde eine dissoziative Persönlichkeitsstörung diagnostiziert und er verbrachte einige Jahre seines Lebens in einer Anstalt. Später arbeitet er in einem Fotolabor (auch Aichner arbeitete dort mit 20 Jahren) und findet langsam zurück in ein normales Leben. Doch auch 30 Jahre nach dem Vorfall kann er die Vergangenheit nicht abhaken. Er kehrt zu seiner alten Therapeutin Frau Dr. Vanek zurück und möchte noch einmal versuchen alles mit ihr gemeinsam aufzuarbeiten. Nachdem Ben herausgefunden hat, dass sein alter und einziger Kindeheitsfreund Kux in der selben Stadt wie er wohnt, entschließt er sich ihn zu treffen. Er war sein bester Freund damals und hatte ihn nicht ein einziges Mal besucht – noch beschäftigt ihn das. Und mit diesem Treffen kommt die Wendung innerhalb der Handlung.
Meine Gedanken zum Thriller (Achtung enthält Spoiler)
Nach den ersten fünfzig Seiten dachte ich mir Folgendes: ok, wir kennen also den Mörder, der Fall ist 30 Jahre her und die Hauptperson will das nochmal mit einer Therapie aufarbeiten – klingt nach einer runden Sache, aber wie kommt hier noch Pfeffer in die Geschichte? Zudem wird relativ schnell klar, warum der Thriller den Titel Bösland trägt – „komm mit mir ins Bösland“ (aka der Dachboden) sagte der Vater immer wieder zu Ben.
Tatsächlich erhielt die Erzählung mit der Figur Kux nochmal eine ganz neue Dynamik, doch wirkte alles recht konstruiert und vorhersehbar – es wird sogar vorausgeschickt, dass Dr. Vanek wenige Seiten später sterben wird – das fand ich schade und unnötig. Die Morde in Bösland waren zwar blutig und brutal, aber es las sich wenig furchteinflößend. Auch Kux und seine Beziehung zu seinem ehemaligen Freund wirkt klischeehaft – Bens Leben war mit 13 vorbei und Kux, der Sohn eines Arztes, ist Chef eines Pharmaunternehmens (das sind immer die Bösen!), wohnt in einer Luxusvilla und hat eine Thai als Frau (die er zudem misshandelt).
Tempo ist auf jeden Fall gegeben, die Dialoge, die ganze Kapitel füllen, sind knackig und sehr gut geschrieben. Man will weiterlesen, die Spannung ist da, aber Überraschungen gibt es nahezu keine. Auch die Figur Ben konnte mich nicht ganz überzeugen – ungeliebtes Kind, vom Vater geschlagen, hat nur einen Freund, war natürlich in Matilda verliebt und hat sie umgebracht? Was diese 30 Jahre nach dem Mord an Matilda mit ihm machten / aus ihm machten, wird kaum geschildert. Und dann gibt es noch einen Schauplatzwechsel nach Thailand – auch das ist irgendwie schräg, aber macht am Ende ein bisschen Sinn. Ein Unterhaltungsfaktor ist auf jeden Fall gegeben – aber ein großes Wow, bleibt meinerseits leider aus.
Zum Autor Bernhard Aichner
Die TirolerInnen kennen ihn als unglaublich charmanten, unterhaltsamen Autor, der jede Lesung zu einem Kabaret macht – außerdem bringt er in diesem Jahr zum zweiten Mal eine große Schar an bekannten Krimiautoren für das Krimi Fest Tirol in die Heimat. Er lebt als Schriftsteller und Fotograf in Innsbruck, schreibt Romane, Hörspiele und Theaterstücke. Für seine Arbeit wurde er mit mehreren Literaturpreisen und Stipendien ausgezeichnet, zuletzt mit dem Burgdorfer Krimipreis 2014, dem Crime Colgne Award 2015 und dem Friedrich Glauser Preis 2017.
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Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag als Leseexemplar zur Verfügung gestellt.
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